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Sprach-KI wie ChatGPT: Neues Allzweck-Werkzeug im Büro?

TBS-Berater Simon Ernst über Potenziale und Risiken bei der Einführung der neuen KI-Tools

Sprach-KI wird seit einigen Monaten als neue Allzweck-Technik millionenfach am Arbeitsplatz eingeführt: Nicht nur bei Büro- und kommunikationsintensiven Tätigkeiten haben ChatGPT und ähnliche brandneue Sprachroboter das Potenzial, bestehende Arbeitsabläufe gründlich zu verändern und die Gesundheit zu gefährden. Für Interessenvertretungen entsteht Handlungsbedarf.

Arbeitsergebnisse in Sekunden?

Denkbar ist beim Einsatz eine Steigerung der Produktivität, womit die großen Cloud-Anbieter laut werben. Milliarden Nutzer*innen greifen mittlerweile auf das oft kostenlose Angebot z. B. von ChatGPT, Microsoft Copilot (bzw. Bing) oder Google Gemini zurück. In wenigen Augenblicken stricken die KI-gestützten Sprach-Schätzer plausibel klingende Zusammenfassungen langer PDF-Broschüren, mögliche Punkte für Präsentationsfolien, Stellenausschreibungen im passenden Social Media-Format oder auch Pläne für Unterrichtsstunden mit Arbeitsgruppen-Materialien.

Weltwissen-Simulatoren: Die großen Sprachmodelle (KI-Basismodelle) wie GPT oder Gemini sind auf großen Teilen des öffentlich verfügbaren Wissens trainiert, sofern es als Text digitalisiert vorliegt. Mit der Ziel-Vorgabe der Vorhersage des wahrscheinlichsten nächsten Wortes schöpfen sie aus diesem statistisch erlernten Weltwissens-Fundus und simulieren im Chat ein menschliches Gespräch.

Wie wollen wir mit Sprach-KI arbeiten?

Oftmals sind die Ergebnisse von ChatGPT, Copilot & Co. voller Fehler oder Diskriminierungen und haben kaum Tiefgang. Gratis-KI-Tools haben zudem oft einen schlechteren Datenschutz sowie eine geringere Qualität und Geschwindigkeit. Für ein Brainstorming oder eine schnelle Erst-Recherche können diese Anwendungen jedoch nützlich sein. Soll die neuartige und kaum erprobte Technik am Arbeitsplatz genutzt werden, macht das nicht nur Schulungen sowie neue Kontrollabläufe nötig, sondern betrifft auch Rationalisierungs- und Gesundheitsschutz. So kann der gehäufte Einsatz von ChatGPT & Co. Stellenabbau, Arbeitsverdichtung, Überforderung und psychische Belastungen nach sich ziehen. Und auch das Thema „Arbeitnehmerhaftung“ ist zu berücksichtigen angesichts von Risiken wie fehlerhaften Arbeitsergebnissen oder Abfluss sensibler Daten.

Frühestmögliche Mitbestimmung

Gute Arbeit mit Sprach-KI wie ChatGPT wird dann denkbar, wenn Beschäftigte und ihre Interessenvertretung von Anfang an eingreifen und die neue Technik mitgestalten – von der Auswahl bis zur Feinabstimmung und Überprüfung im laufenden Betrieb. Vollständige und frühestmögliche Informationen durch den Arbeitgeber sind dabei eine Erfolgsbedingung, auch wenn sie dem Unternehmen oder der Behörde mehr abverlangen oder Projekte entschleunigen. So können die negativen Folgen für die Belegschaft abgefedert oder ausgeschlossen werden. Gerne stehen wir Interessenvertretungen zur Seite, um ihre Mitbestimmungsrechte geltend zu machen und eine umfassende Gefährdungsbeurteilung vor Einführung durchzusetzen.

Überprüfung unerlässlich: Weil grundlegende Funktionsweisen von den Anbietern nicht veröffentlicht werden und oftmals gar nicht zu Ende erforscht sind, und weil sich die Funktionen zudem täglich oder wöchentlich verändern (auch ohne neue Versionsnummern, sichtbare Updates oder neue Releases) entsteht in der Praxis eine undurchsichtige „Black Box KI“.  Ein Betrieb als Arbeitsmittel ohne ständigen Überprüfungsprozess der tatsächlichen KI-Outputs ist schon daher schwer vorstellbar, wenn Qualität, Diskriminierungsausschluss und Haftungsminimierung ernsthaft angestrebt werden. Die neuen Sprach-KI-Tools sind noch unfertig und sollen erst durch ihren betrieblichen Ersteinsatz für die großen Cloud-Anbieter so weitertrainiert werden, dass künftig weniger fehleranfällige Folgemodelle entstehen. Ob dieses Herstellerversprechen eingehalten werden kann, ist bei der Dynamik der Entwicklung und Anzahl der angebotenen Lösungen schwer abzusehen.

Selbst „freundliche Büro-Roboter“ verändern Arbeitsplätze – als abhängig Beschäftigte haben wir daher Rechte zur Mitbestimmung in Hinblick auf ihren Einsatz. Das Header- sowie Teaserbild wurde mit Adobe Firefly erzeugt.