| Lesedauer: 7 Minuten

Anforderungenan ein rechtssicheres BEM

TBS-Beraterin Diana Reiter über die zentralen Punkte bei der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)

Sinn und Zweck eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sind klar definiert: Es geht darum, das Arbeitsverhältnis von Anspruchsberechtigten nach § 167 Abs. 2 SGB IX möglichst dauerhaft zu sichern und krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden. In jüngster Zeit sind verschiedene höchstrichterliche Urteile zur Durchführung eines rechtssicheren BEM erschienen. Hintergrund sind krankheitsbedingte Kündigungsversuche durch den Arbeitgeber. Diese waren arbeitsgerichtlich abwendbar, weil es immer wieder zu Verfahrensfehlern kam.

Alles, was Recht ist: Die gesetzlichen Grundlagen

Es gibt gesetzliche Mindeststandards nach § 167 Abs. 2 SGB IX und verschiedene Anforderungen an ein rechtssicheres BEM, die durch Gerichtsurteile in den letzten 10 Jahren als gängige Praxis etabliert sind. Für die Gremien ergeben sich hier gute Möglichkeiten, die Rechte von BEM-Berechtigten in ihren Betrieben zu stärken. Vor allem sind sie gut beraten, wenn sie ihre Kontrollrechte nach § 80 Abs. 1 BetrVG wahrnehmen und wenn sie maßgeblich dazu beitragen, das BEM-Verfahren im Sinne § 87 Abs. 1, Nr. 7 BetrVG ordentlich auf die Beine zu stellen. Zudem sollte sie bei krankheitsbedingter Kündigung nach § 102 BetrVG unbedingt darauf achten, ob eine Kündigung im Rahmen von § 167 Abs. 2 SGB IX rechtmäßig ist. In der Praxis machen häufig Verfahrensfehler eine krankheitsbedingte Kündigung unwirksam. Dieser Artikel soll die wesentliche Anforderungen beleuchten.

Die wichtigsten Bausteine eines geordneten BEM auf einen Blick

Im Rahmen eines geordneten BEM-Verfahrens sind die folgenden Regeln von hoher Bedeutung:

  • Auf die Ziele und den Datenschutz im BEM hinweisen
    Bevor es zu einem BEM-Gespräch kommt, sind Berechtigte „zuvor“ auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Diese Auskunft erfolgt über das Einladungsschreiben oder in einem Informationsgespräch. Dabei genügt nicht die bloße Existenz oder die Regelung des Datenschutzes in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung. Vielmehr sind im Vorfeld konkrete Hinweise zu den Zielen und der Datenverarbeitung gefordert.
  • Mildere Mittel statt krankheitsbedingt kündigen
    Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nicht rechtmäßig, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt. Arbeitgeber sind verpflichtet, diese in Betracht zu ziehen. Die Interessenvertretung hat die Möglichkeit, im Verfahren Maßnahmen vorzuschlagen, die als mildere Mittel anzusehen sind. Hierzu zählen etwa:
    - Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereiches,
    - Weiterbeschäftigung auf einen anderen Arbeitsplatz,
    - Qualifizierung für einen anderen Arbeitsplatz,
    - ordentliche Durchführung von Arbeitsschutzmaßnahmen,
    - Ermöglichung zur Ergreifung spezifischer Behandlungsmaßnahmen, um künftige Fehlzeiten zu vermeiden,
    - Beantragung von gesetzlich vorgesehenen Hilfen und Leistungen durch die Rehabilitationsträger.
  • Verlaufs- und ergebnisoffener Suchprozess
    Eine in der Rechtsprechung des BEM benannte wesentliche Maßnahme ist der „verlaufs- und ergebnisoffene Suchprozess“. Der Fokus liegt hierbei auf einer Lösung, die eine erneute Arbeitsunfähigkeit der betroffenen Person vermeiden hilft. Es soll im BEM nicht zu einem einseitigen Vorschlag von Maßnahmen kommen. Vielmehr sollen alle Beteiligten Vorschläge für individuelle Gesundheitsprävention einbringen. Hierzu zählen: Arbeitgeber, BEM-Berechtigte, betriebliche Interessenvertretung, Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Führungskräfte, Rehabilitationsträger und Vertrauenspersonen. Dabei darf der Arbeitgeber keinen Vorschlag ohne sachlichen Grund ablehnen. Vielmehr ist er verpflichtet, ihn auf seine Umsetzung hin zu überprüfen. Zudem kann der Arbeitgeber den offenen Suchprozess nicht einseitig beenden – auch dann, wenn aus seiner Sicht keine weiteren Ansätze für zielführende Maßnahmen bestehen.

Wann endet der Verlaufs- und ergebnisoffene Suchprozess?

Eine Beendigung des BEM ist erst dann rechtmäßig, wenn der oder die Berechtigte sowie alle übrigen Beteiligten keine weiteren zielführenden Ansätze mehr im Verfahren einbringen. Dieser Sachverhalt ist unter einem „verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess“ zu verstehen.

Was kann die betriebliche Interessenvertretung tun?

Die Betriebs- bzw. Personalräte haben an dieser Stelle starke Beteiligungsrechte. Sie können darauf bestehen, dass alle Beteiligten zielführende Vorschläge einbringen. Außerdem können sie darauf achten, dass eine Person des BEM-Teams die Vorschläge aller Beteiligten sowie die Ablehnungsgründe durch den Arbeitgeber protokolliert. Im Zweifel können sich hier Verfahrensfehler auftun, auf die Betriebs- bzw. Personalräte hinweisen können. Zudem können sie darauf hinwirken, zielführende Vorschläge umzusetzen.

In einer Betriebs-/Dienstvereinbarung kann sich ein Widerspruch zu dem „verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess“ ergeben. In diesem Fall entspricht die betriebliche Vereinbarung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Interessenvertretung kann dann, trotz widersprechender betrieblicher Regelung, auf einen „verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess“ bestehen. Im Fall der Fälle kann sie ihn sogar über eine Einigungsstelle erzwingen. Die TBS NRW berät Betriebs- bzw. Personalräte, wie sie wirkungsvoll ihre Beteiligungsrechte in eine Vereinbarung übertragen können.