| Lesedauer: 6 Minuten

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – Was der Betriebsrat jetzt wissen sollte

TBS-Beraterin Dr. Kathrin Drews und Rechtsanwalt Philip Khoury im Gespräch über die Neuerungen, die mit dem BR-Modernisierungsgesetz auf die Betriebsräte zukommen. Das Interview führte Redaktionsmitglied Ulrich Elsbroek.

Kathrin und Philip, warum hat die Bundesregierung ein BR-Modernisierungsgesetz auf den Weg gebracht?

Kathrin: Hintergrund ist, dass seit etwa Mitte der 1990er Jahre die Tarifbindung zurückgeht und immer weniger Unternehmen Betriebsräte haben, so dass mittlerweile nur noch 40 % der Beschäftigten in Westdeutschland in einem Betrieb mit einer Interessenvertretung arbeiten. Zum Vergleich: Nur 5 Jahre vorher betrug die Quote über 50 %. Das Ziel des Gesetzes, das am 18.06.2021 in Kraft getreten ist, ist es, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu erleichtern. Aber es gibt weitere wichtige Bestimmungen.

Könnt ihr uns einen Überblick geben über die Neuerungen, die mit dem Gesetz einhergehen?

Kathrin: Neben der erwähnten Erleichterung von BR-Wahlen stärkt das Gesetz das Engagement der Betriebsräte im Hinblick auf die Qualifizierung sowie die betriebliche Mitbestimmung bei der Einführung und der Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI). Zudem wird die virtuelle BR-Arbeit dauerhaft ermöglicht und die Mitbestimmung bei mobiler Arbeit explizit festgeschrieben.

Könnt Ihr das näher erläutern? Welche praktischen Hinweise habt ihr für die BR?

Philip: Wenn wir uns die größten Änderungen ausgewählt anschauen, haben wir folgende erste Anregungen für die konkrete BR-Arbeit: Im Hinblick auf die Durchführung von Online-Sitzungen ist festzuhalten, dass für Betriebsräte die Präsenz-Sitzung die Regel bleibt. Der Arbeitgeber kann die Interessenvertretungen nicht mit dem Verweis auf Kosteneinsparungen an diesen Präsenz-Treffen hindern. In der Geschäftsordnung ist die mögliche virtuelle BR-Sitzung zu regeln. Als Vorlage für eine solche Regelung eignet sich besonders die Geschäftsordnung-Vorlage der IG Metall, die Gewerkschaftsmitglieder über das Extranet oder ihre Geschäftsstelle erhalten können. Wichtig ist es hierbei, die zahlreichen Tools für die elektronische Anwesenheitsbestätigung und vor der Nutzung auf Datenschutz und Anonymität bzw. Sinnhaftigkeit für Beschlüsse zu prüfen.

In puncto Datenschutz kann die oder der betriebliche Datenschutzbeauftragte den BR nun laut Gesetz kontrollieren, obwohl dies vom BAG explizit und im Sinne der Unabhängigkeit des BR anders entschieden wurde.


Unser Tipp: Betriebsräte können mit Arbeitgebern zum Thema Zusammenarbeit mit Datenschutzbeauftragten anderslautende innerbetriebliche Vereinbarungen treffen. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung hier entwickelt.

Kathrin: Bei der Hinzuziehung von Sachverstand gilt, dass die Interessenvertretungen nun beim Thema KI einen Anspruch auf eine ständige Begleitung durch externe Expert:innen haben. Das ist besonders wichtig und hilfreich, wenn man bedenkt, dass sich KI-Anwendungen mit hoher Dynamik weiterentwickeln. Deshalb unser Tipp an die Interessenvertretungen: Bringen Sie bei der Personalabteilung in Erfahrung, ob hier nicht bereits KI angewendet wird und Beschäftigte davon betroffen sind. In diesen Fällen haben Sie ein Mitbestimmungsrecht.

Dies gilt auch bei der mobilen Arbeit. Home-Office ist jetzt explizit mitbestimmungspflichtig – leider nur die Ausgestaltung und nicht das „Ob“, also die Frage, welchen Beschäftigten das Home-Office angeboten wird und welchen nicht. Hier bleiben einige Fragen offen, die Betriebsräte in einer Vereinbarung regeln sollten: Wie stark muss sich der Arbeitgeber an der Miete und den sonstigen Unkosten beteiligen? Wer stellt die Geräte und die Möbel? Wie kann eine Gefährdungsbeurteilung vor Ort aussehen? Um auch das „Ob“ ein wenig mitzugestalten, können BR darüber nachdenken, betriebsöffentlich das Thema zu diskutieren, um so Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Mitunter hilft auch der Verweis auf die Gleichbehandlung, um hier mehr zu erreichen.

Wie fällt euer Gesamturteil aus?

Philip: Wir teilen die Einschätzung des BetrVG-Experten Prof. Dr. Wolfgang Däubler, dass das Gesetz kein großer Wurf ist, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Als Gewerkschafter:innen und Berater:innen von BR haben wir uns einfach mehr erhofft.

Kathrin: Das kann ich bestätigen. Bei bestimmten Fragen sind wir nicht weitergekommen, etwa was die Bringschuld bei Informationen und Einbindung der BR seitens der Arbeitgeber bei Einführungen jeglicher Art betrifft. Dennoch bietet das Gesetz gute Ansätze. Wie immer in der BR-Arbeit wird es darauf ankommen, in der Praxis phantasievoll und strategisch die bestehenden und neuen Rechte auszuweiten. Dafür stehen wir als TBS gerne mit Sachverstand zur Verfügung.

Die Neuerungen im Überblick

Wer mehr über die gesetzlichen Neuerungen erfahren möchte, findet eine gute Zusammenfassung auf der Website des BUND-Verlags  zum Download.

Weiterführende Quellen