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Home-Office und Einkommen: Die Benachteiligung von Frauen ist korrigierbar

TBS-Beraterin Sigrid Rose über die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Einkommensentwicklung bei Home-Office-Arbeit

Aufgrund von Corona und Lockdown wurden viele Beschäftigte im letzten Jahr überstürzt ins Home-Office geschickt. Da auch Schulen und Kitas geschlossen waren oder im Notbetrieb liefen, mussten berufstätige Eltern die Kinderbetreuung neben ihrer Erwerbstätigkeit häufig allein bewältigen. Trotz der mit dem „Krisen-Home-Office“ verbundenen Schwierigkeiten bleibt nach dem Lockdown die Erfahrung, dass die Beschäftigten ihre Arbeitstätigkeit fortführen konnten und der Betrieb weiterlief. Home-Office ist also in erheblich mehr Fällen umsetzbar als dies vor der Pandemie ermöglicht wurde.

Viele Beschäftigte möchten einen Teil ihrer Büroarbeit von zu Hause erledigen. Neben der Reduzierung von Fahrtzeiten und Fahrtkosten spielt der Wunsch nach besserer Vereinbarkeit zwischen Erwerbsarbeit und familiärer Sorgearbeit häufig eine erhebliche Rolle. Dieser Wunsch wird jedoch nicht immer zur Wirklichkeit. Oft führt Home-Office in puncto Vereinbarkeit von Beruf und Privatem sogar zu größeren Problemen, zudem zu einer Intensivierung von Arbeit. Offen ist auch die Frage, wie sich die Arbeit von zu Hause auf die berufliche Stellung der Geschlechter auswirkt und ob sie dazu beiträgt, geschlechtsspezifische Einkommensungleichheiten abzubauen. In einer vor der Corona-Pandemie durchgeführten Studie [1] wurde der Zusammenhang von Teleheimarbeit und Gehaltsunterschieden im Hinblick auf Geschlecht und Kindererziehung untersucht.

Einkommensungleichheiten durch Teleheimarbeit: Abhängig von der Unternehmenskultur

Das Fazit dieser Studie: Teleheimarbeit in Betrieben kann beides – geschlechtsspezifische Einkommensungleichheiten abbauen oder verstärken. Maßgeblich entscheidend hierfür ist die Organisationskultur des jeweiligen Unternehmens. In Betriebskulturen, in denen hohe Anforderungen an die Beschäftigten gestellt werden, wird Teleheimarbeit mit der Erwartung an Mehrarbeit verknüpft. Diese Erwartungen sind jedoch geschlechtsspezifisch unterschiedlich ausgeprägt. Hohe Arbeitsanforderungen an Mehrarbeit, Erreichbarkeit und Belastungsfähigkeit werden überwiegend an Männer gestellt. Bei Frauen, insbesondere Müttern, wird dagegen berücksichtigt, dass sie Teleheimarbeit häufiger für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem nutzen. Allerdings wird ihnen deshalb unterstellt, beruflich weniger engagiert zu sein. Diese Auffassung führt in vielen dieser Betriebe zu schlechterer Bezahlung. Wenn im Betrieb  Teleheimarbeit mit Erwartungen an Mehrarbeit einhergeht und die Entgrenzung zwischen Betrieb und Privatleben forciert wird, verstärkt das die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Eine familienfreundliche Betriebskultur hingegen wendet diese Entwicklung ins Gegenteil. Die Studie weist einen direkten Zusammenhang nach: Je stärker die Unterstützung durch Vorgesetzte ist, desto geringer sind die Einkommensunterschiede – sowohl die zwischen Männern und Frauen mit Kindern als auch die zwischen Frauen mit und ohne Kinder. Eine solche vereinbarkeitsunterstützende Umsetzung der Teleheimarbeit  verringert jedoch nur dann die geschlechtsspezifischen Einkommensungleichheiten, wenn in solchen Betrieben keine „idealen Beschäftigten“ erwartet werden, die jederzeit zur Arbeit bereitstehen. Durch angemessene  Arbeitsanforderungen und eine gute Unternehmenskultur wird der Entgrenzung von Arbeit und Privatleben entgegengewirkt. Nicht zuletzt werden so auch Väter unterstützt, Teleheimarbeit und flexible Arbeitszeit zur Erfüllung familiärer Verpflichtungen zu nutzen.

Mit innerbetrieblichen Regelungen Einkommensungleichheiten entgegenwirken

Soll die „Arbeit von zu Hause“ nicht zu zusätzlichen Belastungen führen, ist einiges zu bedenken. Zunächst stellt sich die Frage, ob im Betrieb vor allem überhöhte Anforderungen an die Beschäftigten im Blick stehen. In diesem Fall kann die Interessenvertretung ihre Kolleginnen und Kollegen auf die Gefahren hinweisen, die dann mit Teleheimarbeit verbunden sind. Mit einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung lassen sich Maßnahmen im Betrieb verankern, die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben verbessern und die berufliche Entwicklungsmöglichkeiten für alle schaffen. Neben der Unterstützung durch Vorgesetzte lassen sich Regelungen vereinbaren, auf die sich die in Teleheimarbeit arbeitenden Beschäftigten berufen können. Damit sie die vereinbarten Rechte tatsächlich wahrnehmen können, können die Beschäftigten gemeinsam auf eine beschäftigtenfreundliche Umsetzung der Teleheimarbeit achten. Eine gute Betriebs- oder Dienstvereinbarung ist dafür eine geeignete Basis.

[1] Abendroth, A. und Diewald, M. (2019): Auswirkungen von Teleheimarbeit auf geschlechtsspezifische Einkommensungleichheiten in Arbeitsorganisationen. Die Bedeutung unterschiedlicher Umsetzungsformen | Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 71(1): S. 81–109.