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Mit dem Gesundheitsnavi zielsicher die IT-Landschaft checken

TBS-Beraterin Svenja Budde über die Gestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung einer gesundheitsförderlichen IT-Landschaft. Das Interview führte Redaktionsmitglied Ulrich Elsbroek.

Svenja, aus gesundheitlicher Sicht müsste die Digitalisierung ein positives Zeichen für viele Arbeitnehmer:innen sein. Verspricht sie doch, die Arbeit zu erleichtern.

Ja, Arbeitserleichterung ist meist das Hauptargument, wenn es um die Einführung oder Erweiterung von digitalen Systemen geht. Es ist sicher ein Fortschritt, wenn diese Technologien monotone Arbeiten übernehmen und so den Beschäftigten den Raum eröffnen, sich auf die anspruchsvollen Tätigkeiten zu konzentrieren. Dennoch tun Interessenvertretungen gut daran, sich ein eigenes Bild zu machen. Denn schon eine einfache Datenbrille kann zu gesundheitlichen Belastungen führen – etwa durch ein zu hohes Gewicht, Belastungen der Augen, zu lange Tragephasen oder durch die Abkopplung vom sozialen Austausch mit den Kolleg:innen. Gegen diese Belastungen und viele weitere mehr kann der Betriebsrat etwas tun, denn eine Gefährdungsbeurteilung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 des Betriebsverfassungsgesetzes mitbestimmungspflichtig.

Wie können denn Interessenvertretungen angesichts der Vielfalt an Technologien und möglichen Gefährdungen einen Überblick gewinnen?

In der Tat entfaltet die Digitalisierung eine enorme Dynamik. Hier den Überblick zu behalten, ist von hoher Bedeutung. Hinzu kommt, dass in Betrieben häufig eine Kultur vorherrscht, sich vornehmlich auf die „Klassiker“ wie Datenschutz oder Leistungs- und Verhaltenskontrolle zu konzentrieren. Wir möchten die Interessenvertretung dabei unterstützen, den Blick in Richtung Gesundheitsschutz zu erweitern. Denn er eröffnet starke Mitbestimmungsrechte. Deshalb haben wir ein Gesundheitsnavi entwickelt – eine praxisbezogene Orientierungshilfe, mit der die Interessenvertretung sich einen sehr guten Überblick verschaffen kann.

Was genau leistet das Gesundheitsnavi und wie wendet man es an?

Das Gesundheitsnavi besteht aus vier Checklisten, die aufeinander aufbauen, aber auch unabhängig voneinander genutzt werden können. So kann man sich zielsicher durch alle Bereiche der IT-Landschaft bewegen. Wichtig ist es, auch innerbetriebliche Akteur:innen einzubeziehen, wie etwa die Arbeitsschutzexpert:innen (die Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsärzt:innen) und die Beschäftigten, die mit diesen Technologien arbeiten müssen. So ermittelt der Betriebsrat systematisch die „neuralgischen“ Punkte der IT-Landschaft, um sie im Interesse des Gesundheitsschutzes wirksam zu bearbeiten.

Nach dieser Arbeit liegt die Orientierung über mögliche Gefährdungen vor. Wie geht es weiter?

Die Interessenvertretung verfügt nun über eine ideale Basis, um in das Gespräch mit der Geschäftsführung und den Arbeitsschutzexpert:innen zu gehen, gezielte Fragen zu stellen und geeignete Maßnahmen mitzuentwickeln. Wie das Beispiel der Datenbrille zeigt, können die Veränderungen technischer oder organisatorischer Art sein. Potentielle Gefährdungen wie auch die Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes fließen in die Gefährdungsbeurteilung ein – das zentrale Instrument des betrieblichen Gesundheitsschutzes, das gemäß Arbeitsschutzgesetz verpflichtend ist. Aufgrund der laufenden Veränderungen muss diese kontinuierlich fortgeschrieben oder – falls nicht vorhanden – neu durchgeführt werden. Gerne stehen wir den Interessenvertretungen bei diesem Prozess mit Rat und Tat zur Seite.