| Lesedauer: 5 Minuten

Mitbestimmung beim BEM-Einladungsschreiben wahrnehmen

Sind Beschäftigte nach § 167 Abs. 2 SGB IX berechtigt, ein BEM angeboten zu bekommen, hat der Arbeitgeber ein solches Angebot durch ein Einladungsschreiben zu unterbreiten.
Dabei muss das Einladungsschreiben die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen. Fehlen diese Anforderungen, ist das BEM-Verfahren nicht ordentlich eingeleitet.

NEU seit 09. Juni 2021: Teilnahme von Vertrauensperson an BEM-Gesprächen

Der § 167 Abs. 2 SGB IX wurde kürzlich um den Satz ergänzt: „Beschäftigte können zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.“ Wenn die betriebliche Interessenvertretung schon Teil des BEM-Teams ist, können Berechtigte einen (weiteren) Betriebs-/Personalrat oder die SBV zu den Gesprächen mitnehmen. Auch ein Anwalt ist jetzt offiziell möglich. Sollte die betriebliche Interessenvertretung bisher von solchen Gesprächen ausgenommen sein, hat sie jetzt die Möglichkeit als Vertrauensperson teilzunehmen.  

Vorteilhaft ist eine solche Teilnahme, weil sowohl Interessenvertretung als auch Anwalt für Berechtigte im BEM-Gespräch sprechen und Gespräche unterbrechen können, um sich über die Angebote des Arbeitgebers zu beraten. Dadurch erhält die betriebliche Interessenvertretung mehr Möglichkeiten den Verlauf eines BEM-Gespräches zum Vorteil der Beschäftigten zu beeinflussen. Die Mitnahme der Vertrauensperson sollte im Einladungsschreiben klar und deutlich beschrieben werden, auch die freie Wahl welche Art die Vertrauensperson es sein kann.  

Außerdem müssen folgende Anforderungen im Einladungsschreiben erwähnt werden:

  • Zielsetzung des BEM-Verfahrens deutlich machen
    Das BEM hat folgende Ziele: eine vorhandene Arbeitsunfähigkeit überwinden, einer weiteren Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten. 
    Es muss zudem deutlich werden, dass es sich um einen ergebnisoffenen kooperativen Suchprozess handelt, in dem Berechtigte auch eigene Vorschläge einbringen dürfen.
  • Hinweis auf die Freiwilligkeit der Teilnahme
    Zur Durchführung des BEM ist die Zustimmung des Beschäftigten notwendig. Ein Hinweis auf die Möglichkeit die erteilte Zustimmung jederzeit, ohne Angabe von Gründen widerrufen zu können sollte im Einladungsschreiben nicht fehlen.
  • Notwendige Daten für das BEM-Verfahren benennen 
    Die Ausführungen in welcher Art und in welchem Umfang Daten verarbeitet werden. Welche Krankheitsdaten erhoben und gespeichert werden müssen, um ein zielführendes BEM-Verfahren durchführen zu können. Außerdem, welche Daten dem Arbeitgeber für welche Zwecke bekannt gegeben werden müssen. 
  • Datenverarbeitung, Datenweitergabe & Vertraulichkeit
    Zudem ist wichtig zu beschreiben, wer Kenntnis über die Daten erlangt. Die am BEM-Verfahren beteiligten Personen mit Datenzugang sind ggf. auch namentlich zu benennen.
    Weiterhin muss darauf hingewiesen werden, dass die Zustimmung zum BEM-Verfahren nicht die datenschutzrechtliche Einwilligung miteinschließt. Diese muss gesondert erteilt werden.
    TIPP: Gesundheitsdaten sind hoch schützenswerte Daten

Nicht erlaubt ist eine pauschale Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht von BEM-Berechtigten zu verlangen. Die generelle Schweigepflicht besteht nach wie vor. Betriebsmediziner dürfen nur Diagnosedaten etc. an den Arbeitgeber weitergeben, wenn Beschäftigte aktiv und schriftlich in diese Weitergabe einwilligen oder es ausdrücklich wünschen. Da das BEM kein Fehlzeitengespräch ist, dürfen Diagnosedaten keine Rolle spielen.

  • Wer nimmt am Verfahren teil?
    Im Einladungsschreiben sollte festgehalten sein, wer nach dem gesetzlichen Leitbild am BEM-Verfahren teilnehmen soll.

Darauf ist zu achten: Ein einfacher Hinweis auf den Gesetzestext oder dass die Ziele und Inhalte des BEM einer bestehenden Betriebs-/Dienstvereinbarung zu entnehmen sind, reichen für ein ordentliches Einladungsschreiben nicht aus. Übrigens auch die Ausgestaltung des Einladungsschreibens ist mitbestimmungspflichtig, wie das LAG Dortmund 2005 entschieden hat.

Die betriebliche Interessenvertretung sollte die Neuregelung in bestehenden Betriebs- oder Dienstvereinbarungen berücksichtigen.

Quellen:

Mindestanforderung an ein Einladungsschreiben: Kohte, 6. BEM- Forum, Berlin, 10.12.2020 2020; Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 08. Juni 2017 – 7 Sa 20/17 –, juris; Schäfer, jurisPR-ArbR 35/2020 Anm. 2)
Mitbestimmung beim Einladungsschreiben: LAG Dortmund 20.06.2005, Az.: 5 BV 48/05