Ein Interview mit Torsten Schulz über ein spannendes Seminarangebot für Betriebsrat, Personalrat und andere Interessenvertretungen. In einem Escape-Room erfahren die Teilnehmenden, was es mit dem Thema "sozialökologische Transformation" auf sich hat.
Sozialökologische Transformation: Wie Betriebsrat, Personalrat & Co. ein komplexes Thema „spielerisch kennenlernen"
Die TBS NRW, Hans-Böckler-Stiftung und IGBCE haben gemeinsam ein ungewöhnliches Bildungsformat entwickelt: einen Escape-Room zum Thema „sozialökologische Transformation“. Warum braucht es solche neuen Wege in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit?
Torsten Schulz: Die sozialökologische Transformation steht für mehr soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit in Gesellschaft und Wirtschaft. Eigentlich ein positives Thema, das auch die Arbeit von Betriebsrat, Personalrat & Co. berührt. Gleichzeitig machen wir aber auch die Erfahrung, dass es für viele Kolleginnen und Kollegen als sehr abstrakt und komplex empfunden wird. Mit dem Escape-Room holen wir sie genau dort ab: spielerisch, mit einem fesselnden Setting, und trotzdem auf einer inhaltlich fundierten Grundlage. Sozialökologische Transformation spielerisch kennenlernen – so kann man es auf den Punkt bringen.
Die sozialökologische Transformation für Betriebsrat und Personalrat erlebbar machen – mit dem Escape-Room
Wie muss man sich diesen Escape-Room konkret vorstellen?
Torsten Schulz: Die Teilnehmenden betreten einen inszenierten Raum, in dem sie gemeinsam Lösungen entwickeln müssen. Die Aufgabe: Die Gewerkschaftssekretärin Julia hat eine Rede zur sozialökologischen Transformation vorbereitet. Doch plötzlich ist sie verschwunden, die Rede ist in ihrem Schreibtisch eingeschlossen und der Schlüssel nicht auffindbar. Die Rede muss aber binnen einer Stunde vorliegen, damit sie vor dem Gewerkschaftskongress gehalten werden kann. Die Teilnehmenden müssen nun verschiedene Rätsel lösen, die entlang dreier unterschiedlicher Rätselstränge verlaufen. Hierbei sind verschiedene Lösungsstrategien zu entwickeln, wie mit Zahlenkombinationen, Logik, Podcasts oder auch anderen „technischen Hilfsmitteln” umzugehen ist. Erst wenn alle drei Stränge gelöst sind, halten die Teilnehmenden den Schlüssel für die Schublade in der Hand und haben Zugang zu der Rede.
Da geht es sicherlich um Interaktion und gemeinsame Lösungsfindungen. Erhalten die Teilnehmenden in dieser Phase auch schon inhaltliche Impulse?
Torsten Schulz: Ja, die Teams stoßen bei der Problemlösung bereits auf inhaltliche Impulse. Dafür sorgen unter anderem auch die Avatare, die die unterschiedlichen Perspektiven und Konfliktlinien rund um Transformation, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit repräsentieren. Neben Julia sind da Kurt, ein erfahrener Betriebsratsvorsitzender mit seinen Erinnerungen an vergangene „Kämpfe“, der aber besorgt ist, dass es seinen Enkelkindern in ihrer Umwelt nicht mehr gut geht; zudem Max, ein Azubi, der sich viele Gedanken über seine Zukunft macht und einen Nachhaltigkeits-Podcast betreibt; und schließlich Klimaforscherin Klimata Futura, die die Chancen betont, die von der sozialökologischen Transformation für die Menschheit und die Betriebe ausgehen. Die drei letztgenannten Avatare haben im Übrigen zur Ausgestaltung der Rede beigetragen.
Türöffner für die Auseinandersetzung mit dem Thema „sozialökologische Transformation“
Am Ende haben die Teilnehmenden den Schlüssel in der Hand und Zugriff auf die Rede von Julia. Was passiert danach?
Torsten Schulz: Durch den Spielcharakter dieses Settings und die durchaus vorhandene Empfindung von Stolz, verschiedene Rätsel geknackt zu haben, sind die Teilnehmenden positiv aufgeladen. Diese Emotionen öffnen sie dafür, sich nun auch tiefgehender mit der Materie selbst zu befassen. Sie lesen die Rede. Zudem zeigen wir kurze Filme zu zwei Transformationsszenarien und diskutieren dann anhand konkreter Fragen: Wo erkennen sich die Teilnehmenden wieder? Welche Herausforderungen sehen sie in ihren Betrieben? Wie kann Mitbestimmung aktiv gestaltet werden? So wird das Spiel zum Türöffner für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem Thema.
Das klingt wirklich spannend. Wie ist das Konzept entstanden?
Torsten Schulz: Wir von der TBS NRW haben das Projekt gemeinsam mit Detlef Lüke und Charlotte Reineke vom Kompetenzzentrum Bildung der IGBCE in Haltern entwickelt. Ausgangspunkt war eine gemeinsame Fragestellung: Wie können wir ein so wichtiges, aber komplexes Thema wie die sozialökologische Transformation Betriebsräten und anderen gewerkschaftlichen Akteur*innen verständlich und praxisnah vermitteln? Aus dieser Überlegung heraus entstand die Idee eines Escape-Rooms. Nach erfolgreicher Projektantragstellung bei der Hans-Böckler-Stiftung haben wir das Konzept mit Unterstützung durch die Escape-Game-erfahrenen Trainer*innen Juliane Liedtke und Erik Springer vom Verein niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. Schritt für Schritt bis zur Spielreife weiterentwickelt. Kern der Entwicklung war ein gemeinsamer Workshop in Haltern. Daran haben neben den zuletzt genannten Akteur*innen auch unterschiedliche ehrenamtliche IGBCE.ler*innen, von Auszubildenden, Vertrauensleuten bis hin zu Referenten von IGBCE-Seminaren, teilgenommen. Gemeinsam haben wir die Rätsel entwickelt.
Sozialökologische Transformation: Nach dem Escape-Room folgt das mobile Escape-Game
Das ist sicherlich eine attraktive Methode, sich als Interessenvertretung diesem Thema zu nähern. Wann kann man den Escape-Room buchen?
Torsten Schulz: Derzeit befinden wir uns in der finalen Abstimmungs- und Aufbauphase. Anfang September 2025 soll der Escape-Room offiziell zur Verfügung stehen. Dieser wird in der Adolf-Schmidt-Bildungsstätte in Haltern am See eingerichtet. Gern würden wir das Konzept so weiterentwickeln, dass es mobil einsetzbar ist – langfristig wollen wir also auch ein transportables Escape-Game entwickeln, das gewerkschaftsübergreifend genutzt werden kann. Wichtig hierbei: Wir möchten Diskussionen anstoßen – keine fertigen Antworten liefern. Der Escape-Room ist ein innovativer Einstieg in ein Thema, das für unsere Arbeitswelt immer wichtiger wird. Unser Ziel ist, dass Kolleginnen und Kollegen aus dem Spiel heraus sagen: „Jetzt verstehe ich, worum es geht – und ich will mich einbringen.“ Wenn das gelingt, haben wir viel erreicht.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
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Beitrag: Sozialökologische Transformation: Eine Chance für Betriebsrat, Personalrat & Co.