Die deutsche Wirtschaft steckt aktuell in einer schweren Krise. 2024 beendete Deutschland mit einem Minus der Wirtschaftsleistung von 0,2 Prozent. Auch die Aussichten für 2025 sind trübe. Wenn überhaupt, wird ein Miniwachstum erwartet. Auch wenn vielerorts Fachkräfte in den Betrieben fehlen, klagen insbesondere Industriebetriebe aktuell über ausbleibende Aufträge und Personalüberhänge. Personalabbaumaßnahmen stehen zunehmend bei Betriebsräten auf der Agenda. Ist Personalabbau alternativlos? Welche Handlungsoptionen hat der Betriebsrat? Mit diesen und weiteren Fragen zur Kurzarbeit befasst sich der folgende Artikel.
Kurzarbeit und Krisenmanagement: Betriebsräte navigieren durch die Krise
Um die Krise als Betriebsrat wirkungsvoll mitzugestalten, ist es empfehlenswert, planvoll, überlegt und proaktiv vorzugehen. Im Idealfall sieht der Betriebsrat drohende, wirtschaftliche Schwierigkeiten zeitgleich – oder sogar schon früher – als das Management. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit des Wirtschaftsausschusses von besonderer Bedeutung, da hier die Betrachtung der wirtschaftlichen Lage des eigenen Betriebs besonders im Fokus steht. Sollte kein Wirtschaftsausschuss vorhanden sein, kann der Betriebsrat die erforderlichen Daten bei der Geschäftsführung einfordern.
Um die aktuelle betriebliche Situation besser einzuschätzen, helfen die folgenden Fragen weiter:
Wie entwickelt sich der Auftragseingang?
Wie ausgelastet ist die Fertigung?
Wie schnell werden Waren ausgeliefert?
Wie viel wird auf Lager produziert?
Wie entwickeln sich die Umsätze und Erträge?
Wie entwickelt sich der Personalbestand?
Zeichnen sich wirtschaftliche Schwierigkeiten ab, ist es hilfreich, für sich als Betriebsrat einen Fahrplan zur Mitbestimmung und Mitgestaltung aufzustellen. Die Phasen des Fahrplans lassen sich exemplarisch wie folgt unterscheiden:
Die Schritte der Mitgestaltung beim Thema Kurzarbeit
- Analyse des Problems
- Prüfung, ob externer Sachverstand unterstützen kann
- Ermittlung der Interessen von Belegschaft und Arbeitgeber
- Erarbeitung einer Strategie zu Kommunikation und Maßnahmen
- Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten
- Erarbeitung eines Maßnahmenplans zu Kommunikation und Maßnahmen
- Umsetzung und Überprüfung des Maßnahmenplans
Zeigt die Problemanalyse, dass für die Kolleginnen und Kollegen aktuell zu wenig Arbeit vorhanden ist, muss nicht zwangsläufig Kurzarbeit beantragt werden. Hier stellt sich zunächst die Frage nach milderen Mitteln und sinnvolleren Alternativen. Durch gezielte Fragen lässt sich ermitteln, ob in welchem Bereich und Umfang Kurzarbeit angezeigt ist. Welche Fragen sich ein Betriebsrat bei der Einführung von Kurzarbeit stellen sollte, kann dem folgenden Fragenkatalog entnommen werden.
Fragen zur Einführung von Kurzarbeit für den Betriebsrat
Gibt es alternative bzw. ergänzende Krisenbewältigungsoptionen?
Wie weit ist die Beratung durch die Agentur für Arbeit gediehen? Gab es schon ausreichend Möglichkeiten für Geschäftsleitung, Betriebsrat und Beschäftigte, sich über die aktuellen Regularien von Kurzarbeit unterrichten zu lassen?
In welchem Umfang, für wie viele Beschäftigte, in welchen Bereichen, ab wann und wie lange möchte der Arbeitgeber Kurzarbeit beantragen?
Wieviel (Rest-)Urlaub ist noch offen? Wie hoch sind etwaige Stundenkonten?
Wurde seitens des Arbeitgebers an eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes gedacht, um die Beschäftigten vor erheblichen Entgelteinbußen zu schützen? Wie soll diese Aufstockung ausgestaltet sein?
Welche internen und externen Finanzierungsmöglichkeiten zur Kurzarbeitergeld-Aufstockung, Finanzierung von Freistellungen usw. wurden ausgeschöpft?
Welche eigenen Mittel können für eine Kurzarbeitergeld-Aufstockung bzw. Entgelt-Unterstützung der geringfügig Beschäftigten eingebracht werden? Wie würde sich die Belastung daraus konkret auf die Geschäftszahlen auswirken?
Wie hoch wäre die Belastung aus einer Fremdfinanzierung der Maßnahmen der Entgeltsicherung? Wie würde sich die Belastung daraus konkret auf die Geschäftszahlen auswirken?
Wie weit ist die erforderliche Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit? Zu welchen Punkten besteht schon Einvernehmen zwischen den Betriebsparteien? Wo gibt es noch Differenzen?
Beschäftigungssicherung durch Kurzarbeit
Gibt es keine Alternativen oder wurden diese bereits ausgeschöpft, bleibt die Nutzung von Kurzarbeit mit dem damit verbundenen Kurzarbeitergeld (KUG). Kurzarbeit ist stets dem Personalabbau vorzuziehen. In einigen Fällen ist es hilfreich, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Vorzüge von Kurzarbeit (nochmals) aufzeigt.
Das Bundeskabinett hat im Dezember 2024 beschlossen, die Auszahlung von Kurzarbeitergeld von 12 auf 24 Monate zu verlängern. Die neue Regelung gilt bis zum 31. Dezember 2025. Folgende Schritte sind im Zuge der Realisierung von Kurzarbeit - bedarfsweise durch oder zusammen mit dem Arbeitgeber - umzusetzen:
- Anforderungen an Kurzarbeit ermitteln
Prüfung, ob Anforderungen an Kurzarbeit erfüllt werden
Berücksichtigung der kollektivrechtlichen Regelungen
Ermittlung des Produktionsüberhangs
Entwicklung von individuellen Lösungen
Verhandlung mit dem Arbeitgeber
Vor und während der Kurzarbeit sollte der Betriebsrat seine Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitgestaltung wirkungsvoll nutzen.
Mitbestimmung und Mitgestaltung von Kurzarbeit
Der Betriebsrat hat umfassende Mitbestimmungsrechte beim Thema Kurzarbeit. Hier sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
Initiativrecht: Der Betriebsrat kann das Verfahren zur Einführung von Kurzarbeit initiieren. Beispielsweise kann der Betriebsrat den Arbeitgeber auffordern, anstatt Mitarbeiter zu entlassen, Kurzarbeit für alle Beschäftigten einzuführen. Sollte der Arbeitgeber dagegen sein oder sollten die Verhandlungen scheitern, kann der Betriebsrat die Einigungsstelle einschalten, um sein Ziel zu erreichen.
Einführung der Kurzarbeit: Der Betriebsrat muss vor der Einführung der Kurzarbeit beteiligt werden. Dies ist eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit und unterliegt der vollen Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG. Der Betriebsrat sollte unterbinden, dass der Arbeitgeber einseitig bestimmt, welche Beschäftigten zum Beispiel weiter eingesetzt und welche beispielsweise in Kurzarbeit „Null“ geschickt werden.
Aufstockung: Um finanzielle Härten für die Beschäftigten zu vermeiden, ist es empfehlenswert, dass der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber über eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes verhandelt. Hierbei kann der Betriebsrat folgende Argumente ins Feld führen:
Der Arbeitgeber spart Entgelt für wegfallende Arbeitszeit.
Der Arbeitgeber muss keine Sozialversicherungsbeiträge für die wegfallende Arbeitszeit bzw. das entsprechende Entgelt leisten.
Fachkräfte lassen sich besser ans Unternehmen binden.
Keine doppelte Belastung des Staates, indem Kurzarbeitergeld in Kombination mit weiteren staatlichen Leistungen in Anspruch genommen wird.
Betriebsvereinbarung: Eine Betriebsvereinbarung muss abgeschlossen werden, um die Kurzarbeit wirksam einzuführen. Ohne eine solche Vereinbarung oder einen Tarifvertrag bzw. eine arbeitsvertragliche Vereinbarung kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht einseitig anordnen.
Aufgaben des Betriebsrats beim Thema Kurzarbeit
Der Betriebsrat…
fasst ordnungsgemäße Beschlüsse für Handlungen.
nutzt Initiativrecht zur Kurzarbeit.
nutzt die Beratung der Bundesagentur für Arbeit zum Thema Kurzarbeit
nutzt ggf. die Erzwingbarkeit von Kurzarbeit.
nutzt - falls erforderlich - eine Einigungsstelle.
wacht über Rückführung zur Normalarbeitszeit.
schließt eine Betriebsvereinbarung ab.
Eine Betriebsvereinbarung regelt Beginn, Dauer und Umfang der Kurzarbeit, die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer und vieles andere mehr.
Praxistipp:
Es ist empfehlenswert, im Rahmen der Betriebsvereinbarung betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit für alle Beschäftigten auszuschließen.
Es sollte zudem festgelegt werden, dass während der Kurzarbeit keine Leistungen, die sonst von eigenen Beschäftigten erledigt werden, Dritte übernehmen (Leiharbeit, Werkverträge etc.).