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Cybermobbing aktiv angehen

TBS-Beraterin Racel Bosbach über die Möglichkeiten der Interessenvertretungen,
aktiv Maßnahmen gegen Cybermobbing im Betrieb zu gestalten

Wir können chatten, teilen und liken – nicht nur unsere Arbeit, sondern auch den Kommentar im Meeting oder das Foto von der letzten Firmenfeier. So können Beschäftigte auch im Home-Office als digitale Belegschaft zusammenrücken. Doch nicht immer ist alles „Friede, Freude, Eierkuchen“. IT-Systeme bieten auch die Möglichkeit, Kolleg:innen auszugrenzen. So ist Cybermobbing längst kein exklusives Problem der Jugendlichen und Digital Natives mehr, sondern eine Problematik der Arbeitswelt 4.0.

Opfer von Mobbing erleben meist eine Mischung aus Demütigung, Beleidigung, Bedrohung und Herabsetzung. Digitales Mobbing bietet oftmals neue Möglichkeiten, Betroffene zu diskreditieren, und findet unter dem Schutz der sozialen Distanz und Anonymität statt. Die Manipulation von Bildern, Videos und Nachrichten sowie deren ungewollte Veröffentlichung sind nur einige Beispiele. Das potenzielle Publikum reicht von den Abteilungen über den Betrieb bis über die Grenzen des Intranets hinaus. Dabei nimmt Mobbing im digitalen Raum unterschiedliche Formen an – wie Cybermobbing, Cyberstalking, Cybercrime und sexuelle Online-Übergriffe.

Kein Kavaliersdelikt: Mobbing und Cybermobbing im betrieblichen Alltag

Mobbing ist kein Randphänomen. In einer Studie des Bündnisses für Cybermobbing[1] geben 28 % der Befragten an, bereits Ziel von „analogem“ Mobbing gewesen zu sein.  8 % wurden Opfer von Cybermobbing. Der überwiegende Teil aller Mobbingvorfälle findet hierbei im Arbeitsumfeld statt. Laut Studie erfolgt Mobbing mehrheitlich durch Kolleginnen und Kollegen, in über der Hälfte der Vorfälle sind Vorgesetze beteiligt oder fungieren als Initiatoren. Cybermobbing geht dabei oft Hand in Hand mit Demütigungen und Ausgrenzungen der Mobbingopfer am Arbeitsplatz. Die Folgen für Betroffene können Krankheiten, Depressionen, Kündigungen und sogar Selbstmord sein. Oftmals streben die Opfer den Wechsel des Arbeitsplatzes an und weisen eine höhere Anzahl an Krankheitstagen auf.

Mobbing ist in erster Linie durch eine offene Kultur des Hinschauens und Ansprechens von Problemen zu lösen. Für den Umgang mit Mobbingfällen braucht es klare Regeln und Eskalationsmechanismen. Dabei ist eine sorgfältige Klärung des Sachverhalts und auch der Schutz vor falschen Anschuldigungen zu berücksichtigen. Einen ersten Schritt hin zu einer wertschätzenden digitalen Kommunikation und einer Kultur, die Mobbing keine Chance gibt, kann in der Formulierung einer Netiquette liegen. Diese kann im Rahmen der IT-Mitbestimmung einen Verhaltenskodex in Hinblick auf die elektronische Kommunikation festschreiben. Denkbar ist die Erarbeitung von Höflichkeitsregeln und „No-Gos“. Zusätzlich kann die Netiquette die Strafwürdigkeit bestimmter Verhaltensweisen betonen, wie etwa die Veröffentlichung von Bildern der Betroffenen in betrieblichen IT-Systemen und andere Verstöße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

IT-Mitbestimmung nutzen, Regeln gegen Cybermobbing schaffen

Die Einrichtung von verantwortlichen Stellen inklusive der expliziten Benennung von zuständigen Ansprechpartner:innen, bei denen Mobbingvorfälle im Betrieb gemeldet werden können, sind eine wichtige Regelung zur Aufklärung von Mobbing. Dies ermöglicht es, dem Konflikt auf den Grund zu gehen und ihn zu lösen, statt ihn zu bagatellisieren. Trotz unterschiedlicher IT-Systeme empfiehlt sich eine systemübergreifende Regelung. Das schafft einheitliche Prozesse und Handlungsoptionen für Beschäftigte, Interessenvertretungen und Verantwortliche, über die alle Beschäftigten Kenntnis haben.

Mitbestimmung in Sachen Software umfasst demnach nicht nur Klassiker, wie die Leistungs- und Verhaltenskontrolle, sondern kann den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten vor Cybermobbing unterstützen. Die Bekämpfung von Mobbing und Gewaltprävention gehören seit Beginn zu den Inhalten der Beratungen und Seminare der TBS. Die „Mobbingline NRW“ bietet Betroffenen, Betriebsräten und Arbeitgebern Unterstützung bei der Prävention und bei der Lösung akuter Problemfälle. Die TBS unterstützt Interessenvertretungen bei der Erstellung und Analyse von Betriebsvereinbarungen zum Thema.

[1] Bündnis gegen Cybermobbing (Hg.): Mobbing und Cybermobbing bei Erwachsenen, Karlsruhe 2014.