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Gefährdungsbeurteilung Psyche – ein Instrument (nicht nur) für turbulente Zeiten

Nach dem Fehlzeitenreport der Techniker Krankenkasse 2021 und 2022 lassen sich anteilig die meisten Fehlzeiten dem Diagnosekapitel „Psychische und Verhaltensstörungen“ zuordnen.1 Dabei wird die psychische Gesundheit nicht nur durch individuelle Merkmale beeinflusst, sondern durch soziale Umstände. Ein sozialer Umstand ist die Arbeit. Diese kann den psychischen Zustand einer Person bedrohen oder schützen.2 Der DGB-Index Gute Arbeit untersucht jährlich die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Im Jahr 2022 wird deutlich, dass 50 % der Beschäftigten eine Zunahme der Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung wahrnehmen. Über 45 % der Beschäftigten erleben größere Arbeitsmengen und steigende Anforderungen durch Multitasking3 und der Anteil an Beschäftigten, die „nicht abschalten können“ ist bereits 2021 gestiegen.4

Aus diesem Grund greift das Arbeitsschutzgesetz in § 5 (3) 6 bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen die Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit auf. Diese ist analog der physischen Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, wenn ein Arbeitsplatz in Betrieb genommen werden soll, wenn sich relevante Veränderungen der Arbeitsplätze oder der Arbeitsorganisation ergeben, wenn sich der Stand der Technik ändert oder neue Arbeitsmittel eingeführt werden oder wenn auf die Arbeit zurückzuführende Beschwerden auftreten. Gerade hinsichtlich der rasanten Veränderungen durch Digitalisierung gibt es also viele Anlässe.

Für die Ermittlung der psychischen Belastungen hat die gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie Kriterien zusammengestellt. Die Merkmalsbereiche beziehen sich auf Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, soziale Beziehungen, Arbeitsmittel und die Arbeitsumgebung. Es gibt verschiedene Verfahren, um die Merkmalsbereiche zu erfassen. Diese sind in der DIN EN ISO 10075 beschrieben. Um die Schwarmintelligenz zu nutzen und Beteiligung der Belegschaft sicherzustellen, bietet sich nach Durchführung der Grobanalyse mithilfe von Befragungen eine Feinanalyse im Rahmen von Workshops an. Hierbei entwickeln Beschäftigte Ideen für Maßnahmen, um Gefährdungen zur reduzieren. Die Gefährdungsbeurteilung Psyche gehört zu den Pflichten eines Arbeitgebers. Die Interessenvertretung hat hierauf Einfluss, denn die Prozessgestaltung unterliegt der Mitbestimmung. Hierzu kann sie eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung abschließen.

Die Festlegung der Maßnahmenhierarchie erfolgt nach dem STOP-Prinzip. Die oberste Priorität hat die Substitution. Danach folgen abgestuft die anderen Maßnahmen.

Substitution, z. B. Ersetzen von Arbeitsstoffen
Technische Maßnahmen, z. B. Einsatz von Absaugungen
Organisatorische Maßnahmen, z. B. Veränderung von Arbeitsprozessen
Persönliche Schutzmaßnahmen, z. B. Einsatz von Schutzausrüstung

 

1    Vgl. Techniker Krankenkasse (2022): Zwei Jahre Corona-Pandemie. Wie geht es Deutschlands Beschäftigten?, S. 14.
   Vgl. WHO (2019): Psychische Gesundheit. Faktenblatt.
   Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2022): Digitale Transformation – Veränderungen der Arbeit aus Sicht der Beschäftigten. Berlin, S. 6.
4    Vgl. DGB-Index Gute Arbeit (2021): Arbeit der Zukunft im „Neuen Normal“.