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Gleichberechtigung fördern durch passgenaue Vereinbarungen

TBS-Beraterin Racel Bosbach über die unterschiedlichen Wirkungen von Einheitsregelungen beim Kurzarbeitergeld und Home-Office

Ob Kurzarbeitergeld oder Home-Office: Die Erfahrungen aus einem Jahr Corona zeigen, dass Einheitsregeln zu sehr unterschiedlichen Wirkungen bei den Beschäftigten führen können. Die Kolleg:innen benötigen abhängig von ihrer konkreten Lebenssituation individuelle Optionen, um gute Arbeit krisenfest anzupassen sowie Arbeit und Privatleben besser in Einklang zu bringen. Dies sollen zwei Beispiele verdeutlichen.

Kurzarbeitergeld: Der Prekarisierung vorbeugen

Das Kurzarbeitergeld reicht oft nicht für die Existenzsicherung. Da ist Aufstockung unverzichtbar. Tarifverträge sind hier eine entscheidende Hilfe. Allerdings gibt es Unterschiede: Frauen erreichen häufiger als Männer nur ein niedrigeres Niveau des Kurzarbeitergeldes, da sie seltener unter den Schutzschirm eines Tarifvertrages fallen und meist in die ungünstigere Steuerklasse 5 des Ehegattensplittings eingruppiert werden. Dies betont auch die Hans-Böckler-Stiftung. Somit kann Kurzarbeit die finanzielle Schieflage speziell von Frauen verstärken. Da das Kurzarbeitergeld mitbestimmungspflichtig ist, kann der Betriebsrat hier entscheidende Weichenstellungen vornehmen. Hier empfehlen sich Verhandlungen mit der Geschäftsführung, um eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes zu erreichen und die Prekarisierung aller Beschäftigten abzudämpfen.

Home-Office: Mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wagen

Home-Office, mobile und Telearbeit haben zu größeren Freiheiten für die Beschäftigten geführt und wurden in einigen Betrieben aufgrund der erhöhten Flexibilität als geeignetes Mittel für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert. Ebenso positiv ist, dass eine Pflicht zum Home-Office verhindert werden konnte, denn die Erfahrung zeigt, dass ein Arbeitsplatz in einem sehr belebten Haus eher ein Stress- als ein Wohlfühlfaktor sein kann. Um die wegfallenden institutionellen Betreuungsangebote aufzufangen, griffen vor allem Frauen in der Krise zur Reduzierung ihrer Arbeitszeit. Denn die Pandemie zeigt – Sorgearbeit ist Arbeit, die nicht während der Erwerbsarbeitszeit geleistet werden kann und sollte. Gleichwohl bietet Home-Office eine echte Chance für alle Männer, denen die familiäre Sorgearbeit, die väterliche Teilhabe am Familienleben und eine gerechte Aufteilung der Betreuungsarbeit am Herzen liegt. Betriebsvereinbarungen zum Thema Home-Office sollten deshalb Regelungen für alle Geschlechter enthalten, mit denen diese befristet die Arbeitszeit reduzieren können, ohne dass hierdurch Nachteile entstehen. So profitieren alle Beschäftigte von Lösungen, die die individuelle Lebenssituationen berücksichtigen und die Vereinbarkeit  stärken.

Die Erfahrungen mit der Corona-Krise verdeutlichen, wie unterschiedlich sich Einheitsregelungen in den Bereichen wie Entgeltgerechtigkeit und Work-Life-Balance auf die Belegschaft auswirken können – altbekannte Themen im Übrigen, die in Zeiten der Krise wieder Tagesaktualität erhalten können. Mitbestimmungsrechte und der Abschluss einer Betriebsvereinbarung ermöglichen es, die Auswirkungen der Kurzarbeit im Sinne der Gleichberechtigung zu regeln und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.

Wir bei der TBS unterstützen bei der Erstellung und Analyse von Betriebsvereinbarungen aus einer Perspektive, die die Gleichberechtigung in den Fokus rückt.