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Hinweisgeber: Mehr Schutz durch Mitbestimmung

Am 2. Juli tritt das Hinweisgeber-Schutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Damit setzt es die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht um. Der wichtigste Inhalt: Hinweisgeber, die auf Missstände in ihren Unternehmen aufmerksam machen, genießen einen besonderen Schutz vor Benachteiligung und Diskriminierung. Diese Entwicklung ist grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch gibt es für Interessenvertretungen auch einige Dinge zu bedenken.

Bereits im Februar beleuchteten wir die geplante Gesetzesänderung und ihre Auswirkungen auf die betriebliche Mitbestimmung. Der jetzt verabschiedete Gesetzestext ist nur geringfügig verändert. Er tritt am 2. Juli in Kraft. Erste Betriebsvereinbarungen zu Hinweisgeber-Systemen mit Bezügen auf die neue Rechtsgrundlage wurden bereits geschlossen. Zeit für ein Zwischenfazit.

Änderungen am Entwurf des Hinweisgeber-Schutzgesetzes kommen Arbeitgebern entgegen

Der verabschiedete Gesetzestext weist gegenüber dem Gesetzesentwurf Veränderungen auf. Diese kommen Forderungen von Arbeitgeberverbänden entgegen. So halbiert sich die Höhe der Bußgelder für Diskriminierung von betrieblichen Hinweisgebern oder Whistleblowern auf 50.000 Euro. Zudem hat der Gesetzgeber die Muss-Vorschrift, anonyme Hinweise entgegenzunehmen, zu einer Soll-Vorschrift abgeschwächt.

Anonymität kann Missbrauch des Hinweisgeber-Systems begünstigen

Anonyme Meldungen sind aus Sicht der betrieblichen Interessenvertretung nach wie vor ambivalent zu bewerten. Anonymität ist und bleibt der beste Schutz für Hinweisgeber. Doch in der betrieblichen Praxis können anonyme Hinweise schwerwiegende Folgehandlungen durch Arbeitgeber nach sich ziehen. So wurden durch anonyme Hinweise auf vermuteten Arbeitszeitbetrug oder Diebstahl auch Mitarbeiterkontrollen gerechtfertigt und arbeitsrechtliche Schritte bis hin zu Kündigungen gestützt. Gerade anonyme Hinweise sind jedoch leicht zu fabrizieren, ein derartiger Missbrauch eines Hinweisgebersystems wird kaum nachweisbar sein.

Verhältnismäßigkeit beachten zwischen Schwere des Vorwurfs und Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Zudem lässt das Gesetz offen, für welche Formen von „internen Untersuchungen“ (§18 Satz 1) die Hinweise Anlass geben. Folglich sollte die betriebliche Interessenvertretung mit dem Arbeitgeber vereinbaren, welche Arten von Hinweisen welche internen Untersuchungen rechtfertigen können. Insbesondere die Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere des Vorwurfs und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist zu berücksichtigen. Aber auch die Glaubwürdigkeit einer Hinweisquelle ist entscheidend und sollte deshalb überprüft werden.

Dabei ist zu konkretisieren, was das Bundesdatenschutzgesetz „zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte“ nennt (§ 26 Abs.1 Satz 2 BDSG). Steht hinter einem Vorwurf keine identifizierbare Person, sollten Mitarbeiterkontrollen jedweder Art ausgeschlossen sein. Und die Vermutung von schweren Straftaten sollte kein Anlass für eine heimliche Überwachung von Beschäftigten sein. Vielmehr sollte das Unternehmen den Fall grundsätzlich an die staatlichen Ermittlungsbehörden übergeben.

Beteiligung und Mitbestimmung der Interessenvertretung sicherstellen

Entscheidend bleibt weiterhin die Verankerung der betrieblichen Interessenvertretung im Compliance-Verfahren. Seine Informationsrechte und seine Beteiligung bei Ansprachen von Beschuldigten, Gegenüberstellungen oder Mediationsverfahren sollten Sie in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung festlegen.

Ferner sollte Sie sich auch die Mitbestimmung der Aushänge und Unterlagen, mit denen der Arbeitgeber für sein Hinweisgebersystem wirbt, sichern. Hier sollten Sie darauf achten, dass der Arbeitgeber potenzielle Nutzer des Systems umfangreich über ihre Rechte informiert: Wer verarbeitet die Hinweise an welchen Stellen? Welche Angaben sind erforderlich? Werden Hinweise anonymisiert? Welche Strafen drohen bei Missbrauch? Und: Welche Alternativen kann ich nutzen, wenn ich Missstände entdecke? Hiermit kann der § 13 (2) des Gesetzes konkretisiert werden, nach dem der Arbeitgeber über alternative externe Meldekanäle der Aufsichtsbehörden aufklären muss. Das könnte die beispielhafte Benennung des Arbeitsschutz-Telefons oder der Hotline der zuständigen Datenschutzbehörde beinhalten. Und auch auf die betriebliche Interessenvertretung und ihre Rolle als parteiische Beschwerdestelle kann in einem solchen Aushang verwiesen werden.

Sie haben Fragen? Dann kontaktieren Sie uns gern.

Hier gibt es ein FAQ zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz auf der Webseite des DGB.