Kurzinfo für Betriebsräte
Aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage stehen viele Betriebe aktuell vor Betriebsänderungen, also einschneidenden Umstrukturierungen, Kostensenkungen und Entlassungen. Das bedeutet für den Betriebsrat eine gewaltige Bewährungsprobe. Einerseits gibt es weitreichende Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere mittels Interessenausgleich und Sozialplan. Andererseits lauern viele Fallstricke. Verhandlungsfehler oder auch nur Unerfahrenheit können sehr folgenschwer sein. Die TBS verfügt über langjährige Erfahrungen in der Unterstützung von Betriebsräten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Betriebsänderung, Interessenausgleich und Sozialplan.
Was ist eine Betriebsänderung?
Eine Betriebsänderung ist eine grundlegende Veränderung im Betrieb, die wesentliche wirtschaftliche Nachteile für erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann. § 111 BetrVG zählt verschiedene Beispiele auf, bei denen man in jedem Fall von einer Betriebsänderung sprechen kann. Hierzu gehören etwa die Stilllegung bzw. Verlegung von Betriebsteilen oder die Einführung neuer Arbeitsmethoden. Diese Aufzählung ist nicht vollzählig. Beispielsweise auch Personalentlassungen ohne begleitende Umstrukturierungsmaßnahmen können eine Betriebsänderung darstellen. Es empfiehlt sich also im Zweifelsfall, Rat für den konkreten Einzelfall einzuholen.
Plant ein Betrieb eine Betriebsänderung, dann ist der Arbeitgeber verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu verhandeln und einen Sozialplan zu vereinbaren. Interessenausgleich und Sozialplan sind getrennte Vereinbarungen, werden aber in der Regel sinnvollerweise zusammen ausverhandelt.
Was ist ein Interessenausgleich?
Im Interessenausgleich geht es um die nähere Erörterungen zu Erforderlichkeit und Ausgestaltung der geplanten Betriebsänderung. Und natürlich geht es darum, Nachteile für die Belegschaft möglichst zu vermeiden.
Was ist ein Sozialplan?
Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, die Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen festlegt. Dazu gehören z. B. Abfindungen, Umschulungen oder Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche. Wichtig zu wissen: Ohne einen Betriebsrat im Betrieb gibt es keinen Sozialplan und auch keinen Anspruch der Beschäftigten auf Abfindungen.
Wie unterscheidet sich ein Interessenausgleich von einem Sozialplan?
Ein Interessenausgleich regelt den Umfang und den Ablauf der geplanten Betriebsänderung selbst, während der Sozialplan die sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer abmildern soll. Der Interessenausgleich ist also eher prozessbezogen, der Sozialplan hingegen kompensationsbezogen. Die Verhandlungen zum Interessenausgleich und Sozialplan sollten eng aufeinander abgestimmt werden.
Welche Mitbestimmungsrechte hat ein Betriebsrat beim Sozialplan?
Der Betriebsrat hat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht beim Sozialplan. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, mit dem Betriebsrat über den Sozialplan zu verhandeln und eine Einigung anzustreben. Kommt keine Einigung zustande, kann die Einigungsstelle eingeschaltet werden.
Wann müssen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden?
Interessenausgleich und Sozialplan sind erforderlich, wenn eine Betriebsänderung geplant ist, die wesentliche Nachteile für erhebliche Teile die Belegschaft mit sich bringt. Dies ist in der Regel bei Massenentlassungen, Betriebsschließungen oder größeren Umstrukturierungen der Fall. Es gibt verschiedene Kriterien und Schwellenwerte für das Vorliegen einer Betriebsänderung und die Erzwingbarkeit eines Sozialplans. Das sollte unbedingt mit Experten für den jeweiligen Fall geklärt werden.
Wichtig hierbei: Ohne Betriebsrat gibt es keinen Sozialplan und Ansprüche auf Abfindungen daraus.
In welchen Fällen kann man von einer Betriebsänderung sprechen?
Ob es sich bei einer im Betrieb geplanten Maßnahme tatsächlich um eine Betriebsänderung handelt, zu der in diesem Fall ein Interessenausgleich und Sozialplan erforderlich ist, regelt § 111 BetrVG und die dort folgenden Paragrafen.
Für das Vorliegen einer Betriebsänderung müssen „erhebliche Teile der Belegschaft“ betroffen sein. Das Betriebsverfassungsgesetz nennt hier keine konkreten Zahlen. Nach der üblichen Rechtsprechung müssten für das Vorliegen einer Betriebsänderung im Regelfall mindestens fünf Prozent der Beschäftigten betroffen sein. Auch die in § 17 des Kündigungsschutzgesetzes festgehaltenen Angaben zur Anzeigepflicht des Arbeitgebers bei der Agentur für Arbeit im Falle von „Massenentlassungen“ können eine Orientierung bieten, ab wann es sich um erhebliche Teile der Belegschaft handelt:
- 21 bis 60 Beschäftigte: Mehr als fünf Mitarbeiter
- 60 bis 499 Beschäftigte: 10 Prozent oder mehr als 25 Mitarbeiter
- Ab 500 Beschäftigten: Mindestens 30 Mitarbeiter
Auch ist zu beachten, dass einzelne kleinere Maßnahmen, die zeitlich verteilt sind, aber inhaltlich zusammenhängen, in Summe eine Betriebsänderung darstellen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles ist eine nähere Beratung empfehlenswert.
In den meisten Fällen geht es bei einer Betriebsänderung um Entlassungen in Verbindung mit anderen technisch-organisatorischen Umstrukturierungsmaßnahmen. Aber sollte es sich bei einer Betriebsänderung allein um die Entlassung von Arbeitnehmern handeln, dann gibt es hierfür besondere Schwellenwerte, ab denen der Betriebsrat einen Sozialplan erzwingen kann (siehe § 112a BetrVG):