| Lesedauer: 4 Minuten

Krisenberatung: Der Betriebsrat bleibt jederzeit Herr des Verfahrens

TBS-Berater Dr. Christoph Grüninger über das Projekt „Orientierungsberatung in der Krise“

Seit Anfang 2019 setzt die TBS das Projekt „Orientierungsberatung in der Krise“ um. Wie ist es zu diesem speziellen Angebot gekommen?

Zurzeit ist Corona ja in aller Munde. Als wir jedoch mit diesem Projekt begannen, lag die COVID-19-Krise noch in der Zukunft. Wir waren mit anderen krisenhaften Entwicklungen konfrontiert, die sich zu einer Bedrohung von Arbeitsplätzen entwickelten. Ich nenne nur die Beispiele Digitalisierung, E-Mobilität und Brexit. Insofern lag es in der Luft, eine Orientierungsberatung anzubieten, die den Interessenvertretungen in Zeiten aufkommender Krisen Sicherheit gibt. In diese Arbeit flossen Erfahrungen ein, die wir in puncto Früherkennung krisenhafter Erscheinungen in den Unternehmen bereits über viele Jahre haben sammeln können. So haben wir Interessenvertretungen beraten, bei denen Arbeitsplätze bedroht waren – etwa infolge von Umstrukturierungen, Betriebsänderungen oder Standort-Schließungen. Insofern lag es nahe, dass das Ministerium die TBS damit beauftragte, ein Konzept zur Orientierungsberatung in der Krise zu entwickeln und hierfür auch die Beratungsleistungen zu übernehmen.

Mittlerweile ist Corona hinzugekommen. Hat sich irgendwas für Dich verändert?

Im Grunde hat sich die Lage für die Interessenvertretungen durch Corona kaum verändert. Wie bei jeder Krise, die zwar „gefühlt“ vor der Tür steht, ihre volle Wucht aber noch nicht entfaltet hat, stehen Interessenvertretungen vor einem echten Dilemma: Einerseits möchten sie alles tun, um das Beste für ihre Kolleg*innen herauszuholen. Andererseits schrecken sie vor einem zu „beherzten“ Agieren zurück – aus der Sorge heraus, dass ihnen das als Alarmismus und zuviel Eskalation ausgelegt werden könnte. Deshalb sind sie eher zögerlich, externe Berater*innen hinzuzuziehen. Sie befürchten, angesichts einer ohnehin unklaren Situation eine Dynamik in Gang zu setzen, die sie nicht mehr kontrollieren können.

Wie begegnest Du solchen Befürchtungen?

Ich kann diese Reaktionen absolut nachvollziehen. Ich möchte jedoch deutlich machen, dass die Interessenvertretungen jederzeit Herr des Verfahrens bleiben. Unsere Leistung besteht in der Beratung, wir bringen unsere externe Perspektive und unsere langjährige Erfahrung ein. Nicht mehr und nicht weniger. Gemeinsam mit den Interessenvertretungen analysieren wir die gegebene Situation und erarbeiten unterschiedliche Szenarien. Wir treffen also selber keine Entscheidungen, sondern eröffnen den Interessenvertretungen Handlungsoptionen. Unsere Erfahrung ist, dass die Interessenvertretungen dadurch deutlich an Sicherheit gewinnen.

Wie geht’s weiter? Corona ist ja noch nicht vorbei.

Wir haben in den zwei Jahren wertvolle Erfahrungen sammeln können, die in unserer zukünftigen Beratungspraxis von hohem Nutzen sein werden. Denn ein Ende der krisenhaften Entwicklungen ist ja noch nicht in Sicht. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Deshalb steht es zurzeit in der Diskussion, wie das Angebot von Orientierungsberatungen über die aktuelle Projektlaufzeit hinaus dauerhaft etabliert werden kann. Es gibt auch gewerkschaftliche Initiativen, solche Angebote auch außerhalb von NRW, also bundesweit, aufzubauen. Aber unabhängig davon sind wir mit den Erfahrungen und den Angeboten der TBS bestens vorbereitet, Interessenvertretungen bei ihrem wichtigen Kampf um die Arbeitsplätze zu unterstützen.

Projekt
Zukunftszentrum KI NRW

Das Zukunftszentrum KI NRW ist eines von insgesamt elf Zukunftszentren in Deutschland. Zentrale Aufgabe ist die Unterstützung von kleinen sowie mittelständischen Unternehmen (KMU) und Beschäftigten durch kostenlose Beratungs- und Qualifizierungsangebote zu Themen der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz (KI) in der betrieblichen Praxis. Dabei bezieht das Projekt alle Sozialpartner mit ein, um Mitbestimmungsprozesse aktiv zu fördern.

zum Projekt

Projektmitglieder

Förderung

Das Projekt Zukunftszentrum KI NRW wird im Rahmen des Programms Zukunftszentren durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW sowie durch die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert.