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Sucht im Betrieb: Von der Enttabuisierung zur Hilfestellung


TBS-Beraterin Katja Köhler über ein wichtiges Handlungsfeld für die Interessenvertretung

Suchtmittelkonsum äußert sich in unterschiedlicher Weise: sinkende Arbeitsleistung, verzögerte Auftragserledigung, gestiegene oder auffällige Fehlzeiten, die Missachtung von Pausenregelungen, ein verändertes Sozialverhalten sowie das Herunterspielen gesundheitsriskanten Verhaltens. Bei solchen Auffälligkeiten reagieren viele Akteur*innen hilflos und unsicher. Führungskräfte und Interessenvertretungen brauchen Handlungssicherheit, um die Betroffenen richtig zu unterstützen. Denn die vermeintlich „gut gemeinten“ Hilfen, wie das Verharmlosen oder Verstecken des Problems, kann die Situation verschlimmern.

Welche Handhabe bietet das Recht bei Sucht im Betrieb?

Neben legalen Substanzen und illegalen Drogen (Kokain, Ecstasy etc.) gibt es zudem substanzunabhängige Süchte wie beispielsweise die Arbeits- oder Glücksspielsucht. In Deutschland gibt es kein generelles Verbot für Alkohol- oder Cannabiskonsum am Arbeitsplatz. Es gelten jedoch Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes und der DGUV Vorschrift 1. So können aus der Gefährdungsbeurteilung Verbote für Tätigkeiten mit besonderen Risiken abgeleitet werden, wie etwa das Führen von Fahrzeugen oder der Umgang mit Gefahrstoffen. Zusätzlich können in Absprache mit der Interessenvertretung Regeln für ein absolutes Alkohol- oder Suchtmittelverbot am Arbeitsplatz festgelegt werden.

Drogenmissbrauch im Betrieb: Akuter Verdachtsfall –Was ist zulässig und was nicht?

Betriebliche Drogentests sind grundsätzlich möglich. Um sich arbeitsrechtlich abzusichern, kann ein Arbeitgeber einen entsprechenden Test oder eine medizinische Untersuchung einfordern. Dabei sind jedoch die einschlägigen Bestimmungen zu wahren. Zudem muss eine Einwilligung der Beschäftigten vorliegen. Dies bietet den Betroffenen die Option, den Verdacht zu entkräften. Der Betriebs- und Personalrat hat bei der Einforderung des Drogentests oder der ärztlichen Untersuchung ebenfalls ein Mitbestimmungsrecht. Wirkt eine Person nach dem subjektiven Eindruck der Führungskraft so beeinträchtigt, dass sie ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen kann, darf diese Person nach DGUV Vorschrift 1 auf keinen Fall weiterarbeiten. Die Führungskraft ist verpflichtet, einen sicheren Heimtransport zu gewährleisten.

Ein Suchtkonzept unterstützt das strukturierte Vorgehen

Um gesamtbetrieblich einen Handlungsrahmen und Sicherheit für alle Prozessbeteiligten herzustellen, empfiehlt sich ein Suchtkonzept mit präventiven und intervenierenden Maßnahmen.

Siehe "Möglichkeiten der Prävention und Intervention im Überblick"Dazu gehören beispielsweise

Beratungs- und Hilfsangebote auf Grundlage einer Kooperation mit externen Anbietern wie z. B. Kranken- und Unfallkassen. Je nach betrieblichem Bedarf können haupt-, neben- oder ehrenamtliche Suchtkrankenhelfer*innen eingesetzt werden. Hauptamtliche Suchtkrankenhelferinnen haben eine spezielle Ausbildung in der Suchtkrankenhilfe. Ehrenamtliche Akteur*innen hingegen sind meist Beschäftigte des Unternehmens mit einer Weiterbildung in der betrieblichen Suchthilfe.

Feste Regelungen fördern die Handlungsklarheit für alle Beteiligten

Zudem sollte Klarheit in Bezug auf den Umgang mit den Betroffen hergestellt werden, indem organisationsspezifische Regeln, Handlungsanleitungen und Interventionsketten festgelegt werden. Hierzu gehören z. B. Fürsorge- und Klärungsgespräche. Bei Verstößen gegen arbeitsvertragliche bzw. dienstliche Pflichten oder deren Vernachlässigung im Zusammenhang mit dem Konsum von Suchtmitteln kann ein abgestufter Maßnahmenplan Vorgesetzten und Personalverantwortlichen Handlungssicherheit bieten. Gleichzeitig macht er den Betroffenen die Konsequenzen ihres Verhaltens klar und bietet Hilfestellung. Der Stufenplan umfasst eine Abfolge von üblicherweise fünf Gesprächen. Er beginnt mit vertraulichen Unterredungen und kann in der letzten Stufe zur Kündigung führen.

Beschäftigte schützen und unterstützen: Betriebs- und Dienstvereinbarungen zum Thema "Sucht im Betrieb"

Die schriftliche Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung dient als rechtsverbindliche Grundlage für das betriebliche Suchtprogramm und die betriebliche Suchtprävention. Sie sorgt für ein transparentes Verfahren und trägt zur Enttabuisierung bei. Idealerweise ist eine Vereinbarung hierzu mit den anderen Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, wie beispielsweise BEM oder Gefährdungsbeurteilung, verzahnt. Ansatzpunkte für eine Vereinbarung zur Sucht im Betrieb finden sich über die Paragrafen „Ordnung im Betrieb“ oder „Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften“ des Betriebsverfassungsgesetzes. Indem Interessenvertretungen hier initiativ handeln, können sie einen gesundheitsförderlichen Beitrag für die Belegschaft und betroffene Beschäftigte leisten und dadurch die Arbeitsbedingungen verbessern. Die TBS kann hierbei durch Seminare zum Thema unterstützen sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungsentwürfe passgenau mit den Gremien für die betriebliche Situation entwickeln.

Sucht im Betrieb: Möglichkeiten der Prävention und Intervention im Überblick

 

Prävention Suchtvorbeugung Gefährdungsbeurteilung

  • „Suchtmittelkonsum im Betrieb“ Suchtpräventionsprogramme
  • Prävention suchtmittelspezifisch bzw. suchtbezogen oder übergreifend ausrichten (z. B. Schaffung eines gesundheitsfördernden Betriebsklimas, Gesundheitskompetenz der Beschäftigten fördern)
  • Verhaltensbezogene Prävention: Verhaltensänderung bei den Personen der Zielgruppe erreichen, z. B. durch Hinweise auf bestimmte Risiken im Zusammenhang mit Suchtmittelgebrauch, Darlegung von Zielen der Prävention und Hilfe, Nennung konkreter Angebote zur individuellen Verringerung des Konsums
  • Verhältnisbezogene Prävention: Strukturen und Rahmenbedingungen schaffen, die Suchtmittelkonsum allgemein vorbeugen, z. B. Schaffung von Rahmenbedingungen und Strukturen, die Verfügbarkeit der Substanzen einschränken, z. B. ausschließlich alkoholfreie Getränke anbieten, Abbau konsumfördernder Arbeitsbedingungen

Intervention – im Bedarfsfall handeln

  • Gespräche mit Betroffenen: Rückmeldung geben, Probleme abklären, Unterstützung bieten (Fürsorge- und Klärungsgespräche)
  • Stufenplan, bei wiederkehrenden Verletzungen von Pflichten des Beschäftigten: Interventionen mit Sanktionierungen verbinden

 

Online-Seminar am 3. Juli 2025 von 9 bis 12 Uhr mit Katja Köhler

Sucht im Betrieb: Prävention und Intervention Handlungsmöglichkeiten der Interessenvertretung


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