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Mobile Arbeit und Home-Office sicher und gesundheitsgerecht gestalten

TBS-Beraterin Dr. Anne Müller über den Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeit außerhalb der Arbeitsstätte

Spätestens nach der „Home-Office-Pflicht“ sind mobile Arbeit und ihre Sonderform Home-Office als Elemente der Arbeitsorganisation in den Betrieben angekommen. Dies gilt auch für Firmen, in denen die Führungsspitze zuvor auf die Anwesenheit der Beschäftigten gesetzt hatte. Aufgrund der guten Erfahrung mit dem Home-Office in Kombination mit der Energiekrise werden nun viele Arbeitgeber aktiv. Sie treten an die Interessenvertretungen heran, nun schnell langfristige Regelungen zu mobiler Arbeit und Home-Office zu treffen. Sie erhoffen sich dadurch eine Verkleinerung der Büroflächen und eine Reduzierung der Energiekosten. Durch dieses forcierte Tempo kann die Gestaltung sicherer und gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen außerhalb der Arbeitsstätte ins Hintertreffen geraten. Deshalb möchten wir hierauf gezielt ein Augenmerk richten.

Arbeitsschutz als Thema aufnehmen

Mobile Arbeit und das Home-Office bieten viel Potential zur Förderung von Motivation und Arbeitszufriedenheit. Sie bergen aber auch erhebliches Belastungspotential, das langfristig zu gesundheitlichen Einschränkungen führen kann. Positiv können z. B. die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder konzentriertes und ungestörtes Arbeiten wirken. Als Beispiele für negative Faktoren gelten u. a. schlechte Informations- und Kommunikationsprozesse, Vereinsamung, fehlende und unergonomische Arbeitsmittel sowie mangelnde Kompetenzen zur Selbststeuerung der Beschäftigten. Ob sich die Arbeitsbedingungen eher positiv oder negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken, ergibt sich aus dem jeweils im Betrieb umgesetzten Konzept zu mobiler Arbeit oder Home-Office. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten ist also ein wichtiges Thema. Deshalb ist er bei der betrieblichen Konzeption und verbindlichen Regelung zu berücksichtigen und kann von der betrieblichen Interessenvertretung vorangetrieben werden.
So kann sie die mobile Arbeit und das Home-Office auf die Agenda des Arbeitsschutzausschusses setzen – zumal die Abwesenheit von Beschäftigten im Arbeitsalltag auch Auswirkungen auf den Arbeitsschutz in der Arbeitsstätte, z. B. aufgrund fehlender Ersthelfer, hat.

Rechtliche Anforderungen nutzen

Wollen betriebliche Interessenvertretungen den Arbeitsschutz bei mobiler Arbeit und Home-Office auch als Thema für die Betriebs-/Dienstvereinbarung etablieren, begegnet ihnen oft ein Gegenargument. Danach handele es sich hierbei nicht um die gesetzlich definierte Telearbeit, zudem könne der Arbeitgeber die Beschäftigten gar nicht kontrollieren. Zwar sind die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung tatsächlich weder für die mobile Arbeit noch für das Home-Office verbindlich. Trotzdem behalten die Anforderungen der weiteren Rechtsvorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Bezug auf die Arbeitstätigkeiten ihre Gültigkeit. Hierzu gehören u.a. das Arbeitsschutzgesetz, die Betriebssicherheitsverordnung oder das Siebte Sozialgesetzbuch. Sie sind für die Bildschirmarbeit innerhalb und außerhalb der Arbeitsstätte gleichermaßen verbindlich.

Daher kann die betriebliche Interessenvertretung darauf drängen, dass zumindest die zentralen Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes auch in einer Vereinbarung zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören die Durchführung einer dokumentierten Gefährdungsbeurteilung, die Unterweisung der Beschäftigten sowie die arbeitsmedizinische Vorsorge für die Bildschirmtätigkeit.

 

 

Abb.: Vergleich der verschiedenen Formen der Bildschirmarbeit hinsichtlich der Rechtsvorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und der örtlichen Flexibilität des Arbeitens

Mitbestimmung bei der Gefährdungsbeurteilung und den Arbeitsschutzmaßnahmen wahrnehmen

Zentrales Instrument zur Beurteilung von Förder- und Belastungspotential und zur gesundheitsgerechten Gestaltung eines betrieblichen Konzeptes ist die Gefährdungsbeurteilung. Als Startpunkt ist das im betrieblichen Konzept verankerte sogenannte „Arbeitssystem“ zu untersuchen, dessen Ist-Stand zu erfassen ist. Im Blickpunkt stehen hier die verschiedenen Tätigkeiten der Beschäftigten, die Strukturen der Arbeitsorganisation und des -ablaufs, die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel sowie die Arbeitsumgebung. Davon ausgehend lässt sich abgleichen, welche der vorhandenen Gefährdungsanalysen auch für die mobile Arbeit und das Home-Office genutzt werden können und wo eine eigene Gefährdungsbeurteilung erforderlich ist. Mit der Analyse der vom betrieblichen Konzept ausgehenden Gefährdungen und Belastungen können im Betrieb die Risiken beurteilt und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes festgelegt werden.
Die Aufschlüsselung des Arbeitssystems können Sie durch die Wahrnehmung Ihrer Mitbestimmungsrechte absichern. Sowohl das Verfahren und die Instrumente der Gefährdungsbeurteilung als auch die daraus abgeleiteten Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes unterliegen der Mitbestimmung. Die TBS NRW unterstützt Sie gerne rund um den Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der mobilen Arbeit und im Home-Office durch Beratungen und Schulungen.

Projekt
Transformation gestalten – Orientierung für Interessenvertretungen

Das Projekt finanziert die schnelle und unbürokratische Hinzuziehung von sachverständigen Berater*innen der TBS NRW. Gerne unterstützen wir Sie dabei, betriebliche Transformationsbedarfe zu erkennen und Transformationsprozesse kompetent und ganz konkret mitzugestalten.

zum Projekt

Projektmitglieder

Förderung

Mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und des Europäischen Sozialfonds / REACT-EU als Teil der Reaktion auf die Covid-19-Pandemie.